Die Vielfarbigkeit des Lebens


Farben, Formen, Symbole: was im Untertitel der Ausstellung "Zwischenwelten" so formal beschrieben wird, entpuppt sich schon auf den ersten Blick als sehr intensive Auseinandersetzung mit Lebenssituationen, mit Kommunikation, Wahrnehmung und der Konfrontation mit Brüchen, sehr persönlichen Erfahrungen von Vergänglichkeit und letztlich mit der Frage nach der Substanz, die in allen Lebenssituationen wieder neuen Mut, Kraft und Überlebenswillen weckt.
Extreme biografische Erfahrungen, angereichert von unlöschbarer Neugier und Entdeckungslust und dazu die immense Vielfalt an inneren Bildern, die auf Reisen gesammelt werden - diese Mischung eröffnet für die beiden Künstler in dieser Ausstellung in der städtischen Galerie Stapflehus "Zwischenwelten". War es vor drei Jahren bei ihrer letzten Einzelausstellung noch die Gleichzeitigkeit von "Perspektive, Gedanken und Fantasie", die bei Marga Golz mit klaren, frischen Formen in der Suche nach der Quintessenz malerischer Reflektion mündete, so führt ihr Weg heute in die Begegnung mit Altersstufen, dem Wandel und der Wiederentdeckung vertrauter Sphären. "Sobald ich an einem neuen Bild arbeite, vergesse ich jedes „wenn und aber“- beschreibt sie ihre Arbeitsweise. "Es ist wie das Eintauchen in eine Zwischenwelt, bestehend aus Farben, Formen und Ideen." Werke sind oft wie Puzzles entstanden, haben an kubistisch gebrochene Linien erinnert, in Rauminstallationen Umgebungseinflüsse wirken lassen. Immer wieder wirft der Mensch in all seinen Facetten Fragen auf, immer wieder wurden Dialoge gesucht, wurden Handlungen wie Traumfetzen aus ihrem Zusammenhang gelöst, mit Selbstbefragungen konfrontiert, in neue Strukturen eingefügt.

 

 "Szenenwechsel" hieß das Leitmotiv noch vor wenigen Jahren, in den "Zwischenwelten" ist sie angekommen.
Marga Golz beobachtet sehr sensibel, nimmt ihre Empfindungen seismografisch genau wahr und stellt immer wieder neu in Frage. Eine längere Reise nach Thailand anfangs des Jahres, die Begegnung mit alten Freunden, die Beobachtung der unterschiedlichen Entwicklungen der inzwischen herangewachsenen Kinder und des Kreislaufs des Lebens im Alterungsprozess der Mutter - und im Zentrum die eigenen Veränderungen, die sich in der Begegnung herauskristallisieren. All diese Wahrnehmungen vermengen sich im Kaleidoskop zu immer neuen Kompositionen, zu einer Realität, die sich nicht einfach ergibt, sondern erfahren und verstanden werden möchte. "Schöne Formen sehen" bedeuten die begrifflichen Vorbilder für das Wort "Kaleidoskop" im Griechischen. Die Vielfarbigkeit des menschlichen Lebens wird bei Aphoristikern wie Songtextern (Paul McCartney oder Miley Cyrus) mit diesem Wort angedeutet, das Marga Golz als bildhafte Struktur für die Wechselspiele der Gefühle in solchen Situationen gefunden hat, wenn Sinnfragen tiefgründig gestellt werden. Fragmente fügen sich zu Antworten, die im Weiterdenken wieder aufgelöst werden und den Prozess der Suche allmählich wichtiger erscheinen lassen als den vermeintlich gefundenen Standpunkt.


„Meine Bilder erzählen Entstehungsgeschichten, Geschichten des frühen Lebens, Bilder aus unseren Tagen und Visionen, die in die Zukunft weisen. Mit den Farben der Erde gestaltet, werden sie zu Landschaften und Lebensräumen vom Menschen für den Menschen“, sagte Holger Kröner zur Erläuterung seiner Bildmotive einmal. Für beide Künstler ist der Mensch unerschöpfliche Inspirationsquelle. Bei Holger Kröner sind es aber weniger Haltungen, Gestik oder Abbildungen körperlicher Identitäten, sondern eher die Spuren im Sand, die Zeugnisse menschlichen Handelns und Denkens, die genauso verschüttet werden können wie die Wahrnehmung psychologischer Wirkungen.
In der Vermischung mit Pigmenten war Erde das farbgebende Element der eiszeitlichen Höhlenmaler. Unter dem Begriff „Erdfarben“ kamen Pigmente später in die Malkästen der Künstler, Ocker, Umbra, Siena und viele mehr. Pigmente wurden vermischt mit Bindemitteln wie Leinöl, Ölfarbe oder Acrylharz und spielen als leuchtende Bausteine nicht nur eine ästhetische Rolle.
Rote Färbungen aus Anatolien, blaue aus Jordanien, ockerfarbene aus Afrika: aus allen Himmelsrichtungen erhielt Holger Kröner Sande und metaphorische Bilder. Linien, chiffrenartige Formen wie Anklänge an mythische Legenden, archaische Grundstimmungen, die als Gefühl Sehnsucht erzeugen und als intellektuelle Herausforderung die Auseinandersetzung mit unseren Wurzeln stimulieren.
Veränderungen, Themen wie Tod und Vergänglichkeit können im Alltag Ängste auslösen, im Zentrum des Erfassens von Zusammenhängen und spirituellen Orientierungen sind sie oft der Katalysator für Mut und Motivation. „Etwas entstehen lassen, sich verbinden, zusammen sein, aber sich auch lösen können. Misserfolge verkraften, einen Neubeginn riskieren. Neue Erfahrungen sammeln, darauf aufbauen, Ergebnisse erzielen“ – das sind Motive, die Holger Kröner mit seiner malerischen Arbeit verbindet.

 

In der Ausstellung entsteht so ein Wechselspiel unterschiedlichster künstlerischer Antworten auf ganz ähnliche Fragestellungen. Ein Zwischenraum entsteht auch im Dialog des Betrachters mit den Werken. Zwischenwelten, denen wir uns aussetzen können, wenn wir sie auch mit dem zweiten Blick erfassen.
Tonio Paßlick, Kulturamtsleiter, Weil am Rhein