Als sich am 26. April 1986 der Super-GAU in Tschernobyl ereignete, dieser immer befürchtete „größte anzunehmende Unfall“ in einem Kernkraftwerk, da befanden wir uns mit Freunden auf einer
ausgedehnten Radtour im Nordwesten Berlins, dem so genannten „Eiskeller“. Ich weiß noch, dass es an diesem Tag drückend heiß war. Hermann wollte mir damals den westlich vom Spandauer Forst
gelegenen Eiskeller zeigen, einem schmalen merkwürdig geformten Grundstücksausläufer Berlins, an dem man beinahe komplett von der Mauer umgeben war. Erst bei der Rückkehr nach Alt-Moabit erfuhren
wir von der Katastrophe.
Wir erlebten Auswirkungen des Unglücks am eigenen Laib. Da Niederschläge an den Ländergrenzen nicht halt machen, durfte ich beispielsweise während einer Klassenreise unsere Kinder nicht mehr
draußen spielen lassen. Alle fürchteten den radioaktiven Regen. Kleine Kinder bekamen daraufhin Sandkastenverbot. Wir vermieden das Trinken von Frischmilch und standen mit vielen anderen Menschen
für etliche Kartons H-Milch bei „ALDI“ Schlange. In weiten Teilen Deutschlands hatte man das Vieh von den Wiesen in die Ställe gebracht. Eine verstärkte radioaktive Strahlung wurde in weiten
Teilen der Welt registriert. Im Vergleich zu anderen Landesteilen lag Berlin nicht so weit vom Unglücksort entfernt. Erntereifes Gemüse wurde vernichtet. Man begann sich genau zu überlegen, was
eingekauft und noch bedenkenlos gegessen werden konnte. Schwangere Frauen in unserem Bekanntenkreis hatten Angst um ihre ungeborenen Kinder. Wir sprachen über Umweltprobleme und versuchten im
Lebensalltag, in unserem kleinen Rahmen bewusst mit den Ressourcen umzugehen.
Ich erinnere mich an „Smogalarm“ im Berliner Winter. In den U-Bahnen herrschte dann ein wahnsinniges Gedränge. Deshalb sind wir dann trotz der schlechten Luft mit dem Rad gefahren, einen Schal
vor Mund und Nase gebunden.