Gabriele Hauger, Die Oberbadische, Lörrach, 8. Oktober 2010
Zeitblasen und Wolkenbilder
Marga Golz ist eine der sieben Künstler der Ausstellung Wie gedruckt im Verlagshaus Jaumann
Träume, Sehnsüchte, Fantasien und die Suche nach dem, was hinter den Dingen steht, die Suche nach dem wahren Kern. Marga Golz' visionäre Wolkenbilder im Kaleidoskop-Rahmen ziehen den Blick des
Betrachters in weite Ferne und motivieren gleichzeitig zu konzentrierter Innenschau. Die sich verändernden Wolkenformationen sind nicht greifbar, schwebend, leicht, wunderschön aber auch
unheilverkündend.
Die Lörracherin ist eine von sieben Künstlern, die unter dem Titel Wie gedruckt ihre Arbeiten in unserem Verlagshaus zum Jubiläum 125 Jahre Die Oberbadische ausstellen. Kuratiert wurde die Schau
von Friederike Völker.
Marga Golz gehört zu den bekanntesten Künstlern in Lörrach. Vom Realismus kommend, entwickelte sie über Kubismus und Strukturarbeiten mit den Jahren kreativ und konzentriert ihren
unverwechselbaren Stil. Sie ist keine Schnell- und Vielarbeiterin, nimmt sich Zeit, sich einem Thema anzunähern. Dabei spielen Stimmungen und Atmosphäre, gesellschaftliche Prozesse, aber auch
sehr Persönliches eine große Rolle.
Geladen zu der Ausstellung in unserem Verlagshaus, lag diesmal das Thema Zeitung auf der Hand. Für Marga Golz ergab sich daraus eine Fülle von teils philosophischen aber auch ganz lebensnahen
Assoziationen. Malen ist wie schreiben, sagt die Künstlerin. Man möchte seine Gedanken in Form bringen, nur ist es bei mir die Linie und nicht das Wort. Bemerkenswert ist Marga Golz' sensibles
Gespür, ihre Wachheit und Neugier, die dazu führen, dass sie über Inspirierendes geradezu stolpert. So ging es ihr auch beim Thema Zeitung: Durchsichtige Dekorationskugeln, die zufällig auf einer
Zeitung lagen, lösten bei ihr eine fantasievolle Gedankenkette aus. Daraus entstanden die Zeitblasen-Bilder in Acryl. Luftig, gläsern, schimmernd, glitzernd, schön, flüchtig - wie das gedruckte
Wort, wie die gelesene Nachricht, wie das betrachtete Foto. Diese schillernden Blasen setzt sie lupenartig auf Zeitungssätze oder -Fotos. So erscheinen Buchstaben, auf den Kopf gestellt,
vergrößert. Manche Bilder sind wie die Zeitung selbst grau dominiert, andere sind sehr farbig - wie die Unterhaltungs- und Klatschseiten, so die Künstlerin. Die überzeugenden Bildkompositionen
haben viel Zeichnerisches, Weißraum wurde gelassen, jeder Farbton angemischt. Weitergeführt hat Marga Golz das Thema in den Bubbles auf farbigem Hintergrund in Öl mit weichen Übergängen.
Neutraler, losgelöst von Schrift und Text, bleiben hier mit zartem Pinselstrich die bloßen Blasen übrig. Blasen sind vergänglich und auflösbar, nicht von Dauer. Sie sind unfassbar und kurzlebig -
Facetten, die die Künstlerin auch mit den Printmedien verbindet. Sie verändern sich, platzen, erneuern sich, wie die Schlagzeilen in einer Zeitung. Der Betrachter mag sich hier in weiteren
Assoziationsketten verlieren zum Thema Zeit, Vergänglichkeit, Wissen und sich seine persönlichen Parallelen suchen.
Einen bemerkenswerten stimmigen Ausstellungsort hat die experimentierfreudige Künstlerin mit ihrer Zeitsäule mit eingebettetem Spiegelkabinett gefunden, die das Thema weiterführt. Ein weiß
lasierter Holzkörper, von allen Seiten mit Glasscheiben eingefasst, die allesamt Wörter, die mit dem Begriff Zeit zusammengesetzt sind, tragen. In diesen kann sich der Betrachter geradezu
verlieren: Zeitung, Freizeit, Zeitgenosse, Zeitraffer, Lagerzeit, Echtzeit, Zeitlupe, Privatzeit...
Diese Endlosschleife an Wörtern hat etwas Meditatives. Nähert sich der Besucher der Säule, entdeckt er auf Augenhöhe eine Öffnung, ein Augenpaar-großes Sichtfeld mit Blick ins Innere. Man schaut
in den Kasten und sieht seine eigenen Augen unendlich widergespiegelt, eine Art Endlos-Triptychon. Die Konfrontation mit sich selbst ist wie ein kleiner Schock. Ohne Ablenkung setzt sich der
Schauende mit sich selbst auseinander. Wer bin ich? Woher komme ich? Was will ich? Endlose Fragen, endlos wie die Zeit. 3 Wie gedruckt: bis 30. Oktober, Führungen jeweils samstags.