Rene Zipperlen, Der Sonntag, 14. Oktober 2007
Wechsel und Konstanten
Marga Golz zum Fünfzigsten: eine Geburtstagsretrospektive in Inzlingen
Kaum zu glauben: Nun ist Marga Golz schon so lange hier in Lörrach und weder mit ihrer Malerei noch ihrem Kulturengagement (bei H`ART, der Kulturkommission und jetzt dem Verein Bildende Kunst
Lörrach) aus de regionalen Leben wegzudenken. Und doch: Ihre letzte Einzelausstellung ist schon zehn Jahre her. Und dauerte nur eine Woche, im „Roten Hahn“. Damals feierte sie ihren vierzigsten
Geburtstag. Man braucht nun nicht lange zu rechnen: Zum Fünfzigsten hat ihr Evelyn Duerschlag in der Inzlinger Galerie Altes Rathaus eine schöne Retrospektive eingerichtet.
Die Ausstellung „Szenenwechsel“ schlägt einen großen Bogen von Golz` fotorealistischen Anfängen an der Kunsthochschule in Kassel, über ihre Politisierung und Stilwechsel in Berlin zu den
kubistischen Werken und den neusten Strukturarbeiten und Serien. Ihre Interessen wechseln – Konsum-, Kapitalismus-, Militarismuskritik, gesellschaftliche Themen wie Kommunikation zwischen den
Generationen, fremde, asiatische Kulturen, die Zeit, das Alter, die Selbstbeobachtung. Immer aber steht der Mensch im Zentrum. Mit den Jahren tritt der gesellschaftskritische Impuls zurück, den
noch Bilder wie „Zirkus“(1985) zeigen. Der Stil aber wird selbstbewusster, die Handschrift unverwechselbarer.
Besonders deutlich wird auf diesem vielfältigen Rundgang, der wegen der räumlichen Verhältnisse nur exemplarisch sein kann, aber auch, wie sehr Marga Golz immer wieder Bilder aus Strukturen
heraus entwickelt und in Strukturen denkt. Das beginnt mit den fast künstlich realistisch vergrößerten frühen Bildern „Notlösung“ und „Handschuh“ (1984), setzt sich aber bis zu den allerneusten
Werken fort. In den jüngsten beiden Doppelgemälden „Echse“ und „Vernetzt“ überträgt Golz Strukturen von einem Bildobjekt auf ein anderes, um einen seltsamen Verfremdungseffekt zu erzeugen. So
wandert etwa die vergrößerte Netzstruktur der Echsenhaut zweier im Bogen aneinander geschmiegter Tiere auf das Liebespaar aus Rodins „Kuss“ – im türkisblauen Hintergrund wiederholen sich weitere
Formen. Schon in frühen Phasen übertrug Golz Strukturen von einem Bild aufs andere, so im Doppelportrait der Frauenbildnisse von 1985. Hier setzt sie ein altmeisterliches gestaltetes Bildnis nach
der Renaissancemalerin Sofonisba Anguissola mit dem ähnlich gestalteten Porträt einer Berliner Punkerin gegenüber. Der Schildkrötenpanzer, den Golz aus dem rüstungsähnlichen Kleid des Originals
entwickelt, setzt sich im martialistischen Punker-Gürtel fort.
Und eins fällt auf: Selbst wo sich Marga Golz, wie in den vergangenen zehn Jahren stärker mit dem Körper beschäftigt, sind ihre Bilder fast frei von Sexuellem und Erotik. Ihr Blick auf den Körper
ist einintrospektiver, wie es etwa das Spiegel - Diptychon besonders verdeutlicht. Aber auch die ebenfalls kubistisch aufgespaltene Badende deutet mehr auf ein Nachdenken über den Körper als die
Gestaltung von Sinnlichkeit. Dazu passt, was Golz fast 100 Jahre nach deren Erfindung über die kubistische Multiperspektive sagt: “Ich mag es, diese Gleichzeitigkeit von Perspektive, Gedanken und
Fantasien in eins zu packen, ohne das Bild damit zu überfrachten.“ Die Wende vollzog sie nach Bildern wie „Zirkus“ mit dem Umzug nach Lörrach: Das zeitgenössische Wimmelbild à la Jörg Immendorff,
das sich als Zeitkommentar (hier die Auflösung der lebensvollen und bunten Hausbesetzerszene) versteht, blieb eine Sackgasse.
Am Ende der Retrospektive präsentiert sich Marga Golz frisch und bei voller Kraft. Sie hat nicht nur neue Gestaltungen gefunden – etwa die Strukturwechsel der „Echsen“ oder die Serien „Hose“ und
„Sommer“ -, sondern auch zu kräftigen, klaren Farben und einfacheren Strukturen wie aus der Pop-Art. Ihre Bildsprache teilt sich nun schneller mit, ist weniger verrätselt, vielleicht auch weniger
psychologisch. Die Lebendwunden (ihr Mann, mit dem sie vier Kinder hat, stirbt mit 37) treten zurück. Mit 50 ist Marga Golz offenkundig noch lange nicht bereit, ein Alterswerk zu eröffnen.